Vor Ort entwickelte Uraufführung (ab 13 Jahren)
mit Zitaten aus „Draußen vor der Tür“ (Borchert), „Des Teufels General“ (Zuckmayer), „Die Brücke“ (Wicky/Gregor), dem kollektiven Tagebuch „Echolot“ (Kempowski) und weitern Zeitzeugenberichten.
Der Theaterstoff bildet mit dem geschichtsträchtigen Grenzbahnhof Furth im Wald eine Einheit und umgekehrt.
Fazit: ein tolles Projekt, zeitgemäß, pädagogisch wirksam für alle Altersgruppen und - hoffentlich auch - mit ausstrahlender Wirkung!«
Chamer Zeitung 04/20
Es darf nie wieder so entsetzlich still in der Welt sein
Schüler der 10. und 11. Klassen besuchten die Inszenierung im „Theater Zollamt“ zum Lebensweg junger Leute zur Zeit des Zweiten Weltkriegs und ihrer Situation bei Kriegsende.
Nachdem die Schüler erst Zeugen eines Kriegsspiels unter Freunden wurden und sahen, wie sich ein Unterlegener nach dem Erhalt des Einberufungsbefehls zum Brutalen wandelte, aus dem Siegertypen der Verängstigte und aus dem Muttersöhnchen der Ausbrecher wurde, wechselten sie ihre Betrachtungsweise.
Sie gingen mit dem liegen gebliebenen Kriegsheimkehrer Beckmann aus Borcherts „Draußen vor der Tür“ mit, der „erst wild aufs Sterben“, „das Leben plötzlich wieder ganz herrlich und süß“ fand, als „ein Zweibeiner mit Rock, mit einem Busen und langen Locken“ vorbeikam. Der Zuschauer durchwanderte den Gang, änderte seine Perspektive, schaute ganz nebenbei über die Schulter in das große Fenster einer Leichenhalle, wo ein toter Soldat beweint wurde. Eine Jüdin spitzte verängstigt um die Ecke, aber „in Cham hat man den Juden geholfen und ihnen gar ihr Haus abgekauft“. Besonderen Reiz strahlten die räumlichen Verhältnisse der „Bühne“ aus, verschaffte doch eben der kahle, lange Gang die notwendige Tiefe, in der die jungen Leute geradezu „verschlungen“ wurden, wenn sie sich ihrer Zukunft im Krieg oder ihrer Hoffnung auf Menschlichkeit hingaben. Die Nebenräume des Ganges ermöglichten Orte des Geschehens, die nur, vergleichbar einem Voyeur, über dort aufgestellte Kameras zugänglich gemacht wurden. Die Handlung selbst konnte der Betrachter auf Leinwänden im Gang mitverfolgen, aber nicht nur diese, sondern auch die Bilder von der zerstörten Stadt, die den Heimkehrer erwartet, wo er nach dem bronzenen Wohnungsschild seiner Eltern sucht, die sich dem Elend am Ende des Kriege durch Selbstmord entzogen. Und auch innere Bilder der Figuren überlagerten sich hier, wie die sich nach Wärme sehnende Sima, mit dem Bild ihres verschollenen Mannes Wladimir, während sie dem „kalten, stummen Fisch“, dem verzweifelten, invaliden deutschen Soldaten eine Jacke ihres Mannes anzieht.
Die Inszenierung war stimmig bis ins Detail. Da fehlten nicht der Geruch von Weihrauch im Leichenhaus, nicht die Mamutschka im Schrank der Russin Sima und nicht die harten, russischen Worte des Kriegsheimkehrers Wladimir, als er zu Hause den Fremden antraf.
Da fehlte aber vor allem auch nicht der Appell. Es darf nie wieder „so entsetzlich still in der Welt sein“.
„Lass uns gemeinsam lebendig sein“ – nie wieder einem toten Soldaten das Versprechen abgeben müssen, den Mord an ihm nie zu vergessen. „Nehmt die Helme ab! Vor Angst braucht keiner mehr zu singen. Wir wollen nichts mehr tun als gut sein und den Müttern versprechen, dass ihre Söhne nicht umsonst gestorben sind.“«
Irene Haberl, Fraunhofer-Gymnasium 06/2005