Junges Landestheater Bayern

Hans im Glück

nach dem Märchen der Gebrüder Grimm 
und der Bearbeitung „hinundzurückhansimglück“ von Hans Zimmer 
 

Glück oder Unglück? Wer weiß das schon? Wer weiß schon, für was das, was passiert oder wie sich das Leben uns zeigt, gut ist?

Was macht uns überhaupt glücklich? Die reinen Bedürfnisse des Körpers sind doch hierzulande recht schnell befriedigt und es bleibt oft trotzdem noch ein unbehagliches Loch oder eine Leere in uns, die sich einfach nicht füllen mag - nicht durch mehr materiellen Besitz, nicht durch immer mehr Wissen und auch nicht durch Sammeln von Bestätigung und Anerkennung.

In vielen Märchen verwandelt sich anfängliches Unglück oftmals in größtes Glück, scheinbar ausweglose Situationen werden gelöst.

Wie können wir in unserem Leben lernen, Herausforderungen anzunehmen und nicht jede Irritation oder Schwierigkeit als Unglück erleben?

Der Meister lässt Hans praktisch über das ökologische Gleichgewicht nachdenken. (F.Pauli und Z.Haruna)

In „Hans im Glück“ findet man eine wunderschöne Parabel auf das Erfahren des Glücks durch das Gehen von Moment zu Moment, der absoluten Akzeptanz dessen, was der Augenblick bringt. Wie in kaum einem anderen Märchen werden hier im wahrsten Wortsinne Erkenntnisse ver-handelt, welche eine gemeinsame Basis nahezu aller Weisheitslehren bilden: die Dinge der Welt können uns bestenfalls zeitweilig Glück verschaffen. Wenn wir daraus den Schluss ziehen, dass wir an diesen materiellen Dingen festhalten oder gar MEHR davon brauchen, wenn wir wieder unglücklich geworden sind nach einer kurzfristigen Befriedigung, entsteht dadurch Leiden für uns und andere - permanentes „Upgrading“ führt notwendigerweise zum Burnout aller Ressourcen und dabei auch zu den kleinen und großen Kriegen, die klären sollen, wer sich an diesen für kurze oder längere Zeit, jedoch immer endlich, bereichern darf.

Die Gänsemarie (A.Gholam) träumt von einer Opernkarriere

Hans wird als "Dummling" bezeichnet - ein wiederkehrendes Motiv in vielen „Glücks-Märchen“. Was ihm fehlt, ist bei genauer Betrachtung jedoch nur eine scheinbare Intelligenz, nämlich die Schläue, wie man andere übervorteilt, um seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Es scheint sogar so, als würde er in seinen Tauschgeschäften mit Reiter, Bauer, Schweinehirte, Gänsemagd und Scherenschleifer ein regelrechtes „downgrading“ betreiben und so bleibt bei ihnen allen, die sich zunächst für Gewinner halten, eine Irritation übrig: warum ist Hans trotzdem glücklicher? Er ist auf einer ganz anderen Reise - weg vom Haben zum Sein oder zurück zur Quelle, die immer sprudelt und alles hat: „mit leichtem Herzen und frei von aller Last“ findet Hans „nach Hause“.

Der Klumpen Gold aus der Hand des Meisters, mit dem das Märchen beginnt, kann also wie eine wirkliche Charakter- oder Intelligenzprüfung gesehen werden - Was machen wir mit unserem "Gold"? Für was steht es?


Einen entscheidenden Hinweis gibt das "IM" des Titels. "Im Glück sein" kann die Erkenntnis sein, dass wir es gar nie verlassen müssen, dass wir immer vollkommen sind und vollkommenes Vertrauen „haben und sein" können, dass sich unser Leben, wie das Universum, jeden Moment auf wundervolle Weise entfaltet und aus dieser tiefen Verankerung können wir auch für alle schwierigen Situationen, die uns begegnen, Kraft schöpfen.

Was machst du mit deinem 'Gold'?

Unsere Inszenierung ist, durch einschneidende Ereignisse unterbrochen, über den Lauf eines Jahres entstanden - die Beschäftigung mit der tiefen Weisheit dieses Märchens hat uns dadurch tatsächlich nun schon oft Kraft geben können.

Ausgehend vom Original-Märchen „Hans im Glück“, das durch seine unglaubliche Einfachheit eher anmutet wie eine Legende und wie oben beschrieben nichts weniger als das Wesen des Lebens selbst beinhaltet, haben wir in der (Hörspiel-)Bearbeitung von Hans Zimmer eine uns ebenfalls sehr ansprechende Rahmenhandlung gefunden, in welcher dem Grundpersonal des Original-Märchens zwei heutige Glückssucher zur Seite gestellt werden: der Start-up Kiosk-Besitzer Bruno und seine ambitionierte Freundin, die Puppenärztin Maria, beginnen durch die Begegnung mit Hans unter die Oberfläche ihrer modernen Fassaden-Welt zu blicken. Sie waren bisher einfach nicht auf die Idee gekommen und haben es als normal empfunden, dass der alte Dorfbrunnen zwar noch so heißt aber längst keine Funktion mehr hat, dass in ihrem Viertel kein einziger Baum wächst, dass sie Licht und Heizung einschalten, wenn sie es hell und warm haben wollen - all dies scheint für sie normal: weil es in ihrem Leben noch nie anders war. Aus ihrer Unzufriedenheit versuchen sie sich mit der Vorstellung von mehr Geld, Reisen oder auch Familienglück wegzuträumen.

Brunos Kiosk (E.Doben)
Marias Puppenklinik (V.Schweinstetter)

Ensemble: Zahidi Haruna, Aziz Gholam, Felix Pauli, Michael Sobotka, Emilian Doben, Matthias Fischer und Vera Schweinstetter. Praktikum: Corin Friese und Sonya Chayka.

Textnachweis:

  • "Hans im Glück" aus: Kinder- und Hausmärchen gesammelt durch die Gebrüder Grimm, 7. Ausgabe letzter Hand
  • Hans Zimmer. HINUNDZURÜCKHANSIMGLÜCK. Neue Pegasus Medienverlag AG - Theaterverlag
  • zur Vertiefung einiger Motive fanden wir Inspiration und können zur begleitenden/weiterführenden Lektüre empfehlen: weitere "Glücksmärchen" der o.g. Kinder- und Hausmärchen, etwa "Der Teufel mit den drei goldenen Haaren"; Die Metamorphosen des Ovid; C. G. Jung. Archetypen. Urbilder und Wirkkräfte des Kollektiven Unbewussten; Jill Bolte Taylor. Whole Brain Living: the anatomy of choice; Gernot und Hartmut Böhme. Feuer, Wasser, Erde, Luft: Eine Kulturgeschichte der Elemente; Lao Tse. Tao Te King: Eine zeitgemäße Version für westliche Leser; Tyson Yunkaporta. Sand Talk: Das Wissen der Aborigines und die Krisen der modernen Welt.